Geschichte des Internets
Die Ursprünge des heutigen Internet gehen genaugenommen in die Zeit des Kalten Krieges zurück: Damals beschlossen die USA, erschrocken über die Wissenschaft in der UdSSR, die im Jahr 1957 den Sputnik (den ersten künstlichen Satelliten) ins All sandte, die Forschungs- und Entwicklungspolitik grundsätzlich zu verändern.
Im amerikanischen Verteidigungsministerium, dem Department of Defense (kurz: DoD), überlegte man, wie wichtige militärische Daten besser geschützt werden könnten, so dass diese selbst bei einem atomaren Angriff des Gegners diese nicht zerstört werden können. Als Lösung dafür kam nur ein elektronisches Datennetz im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) in Frage.
Die gleichen Daten sollten dabei auf mehreren, möglichst weit entfernten Rechnern abgelegt werden. Bei neuen oder geänderten Daten sollten alle angeschlossenen Rechner binnen kürzester Zeit an den aktuellen Datenstand kommen. Jeder Rechner sollte dabei über mehrere Wege mit jedem anderen Rechner kommunizieren können. So würde das Netz auch dann funktionieren, wenn ein einzelner Rechner oder eine bestimmte Leitung durch einen Angriff zerstört würde. Daher wurde im Jahre 1964 bei der RAND Corporation ein "dezentrales Netzwerk" beauftragt. Das Projekt scheiterte jedoch und wurde niemals umgesetzt - die Idee des "dezentralen Netzwerks" geriet jedoch nicht in Vergessenheit.
Im Jahr 1969, dem Jahr der ersten Mondlandung, realisierte die Advanced Research Project Agency (ARPA) schließlich den Auftrag des US-Verteidigungsministeriums und nannte dieses entstandene Netz "ARPANET", welchem Ende 1969 die ersten vier Rechner angehörten. Und drei Jahre später waren es bereits 40 Rechner, wodurch die Idee vom Internet als Netz der Netze geboren war. Die Bezeichnung für das Wort "Internet" kommt übrigens von "inter" für zwischen oder verknüpfend.
Aus Sicherheitsgründen wurde 1983 das bisherige ARPANET in das militärische MILNET und das nun wissenschaftliche ARPANET aufgeteilt, da die Militärs ihre eigenen Interessen wahren wollten. Für eine Übergangsphase waren beide Netze temporär über Gateways miteinander verbunden.
Im Laufe der 1980er Jahre nahm die Anzahl der angeschlossenen Rechner im zivilen und wissenschaftlichen Teil des neuen ARPANET sprunghaft zu. Die amerikanische National Science Foundation (NSF) spielte dabei eine wichtige Rolle. Denn diese Organisation schaffte ein Leitungsverbundsystem, das alle bedeutenden wissenschaftlichen Rechenzentren des Landes miteinander verband. Einzelne Universitätsrechner oder kleinere Rechnernetze konnten sich mit einem Rechenzentrum verbinden und darüber in andere Netze gelangen. So entstand buchstäblich ein Netz der Netze. Bald bürgerte sich auch der Name "Internet" dafür ein und so verschwand die Bezeichnung "ARPANET" gegen Ende der 1980er Jahre.
Das Leitungsverbundsystem, über das kleinere Einzelnetze zu einem Gesamtnetz wurden, erhielt die treffende Bezeichnung "Backbone", was auf deutsch Rückgrat bedeutet. In Europa gab es zeitgleich ähnliche Entwicklungen, bei denen man auf ISO-Normen setzte. So kam es, dass man vom amerikanischen TCP/IP-Modell, das nicht ISO-normiert war, nichts wissen wollte. Im Jahr 1986 wurde die Organisation RARE (Réseaux Associés pour la Recherche Européenne) gegründet. Diese Organisation sollte alle Initiativen zur systemübergreifenden Rechnervernetzung europaweit koordinieren. Die Arbeitsgruppe RARE rief dazu ein Projekt namens "COSINE" (Cooperation for an Open Systems Interconnection Networking in Europe) ins Leben.
Aufzuhalten war der Siegeszug des TCP/IP-Protokolls jedoch nicht mehr. Unter dem Druck des Erfolgs in Amerika entstand schließlich ein europäisches Datennetz, das multiprotokollfähig war und unter anderem auch TCP/IP unterstützte. Dieses Datennetz lief zunächst unter der Bezeichnung "EuropaNET" und daran wurden dann verschiedene nationale wissenschaftliche Netze, z.B. das Deutsche Forschungsnetz (DFN), angeschlossen.
Inzwischen ist Europa über eine transatlantische Leitung an das Backbone in den USA angebunden. Für die Koordination des Internet-Verkehrs innerhalb von Europa ist die Organisation RIPE (Réseaux IP Européens) zuständig. In Europa gab es von 1992 bis zur Pleite des neuen Besitzers im Jahr 2002 ein Leitungsverbundsystem, das Ebone hieß und ein europäisches Internet-Backbone darstellte. Auf anderen Kontinenten gab und gibt es vergleichbare Entwicklungen und Organisationen, beispielsweise APNIC, AfriNIC oder LACNIC.
Was wir also heute mit "Internet" bezeichnen, ist nicht ein einziges homogenes Netz, sondern vielmehr ein Zusammenschluss aus vielen kleinen, national, territorial oder organisatorisch begrenzten Netzwerken. Diese Netze besitzen eine Anbindung an die Internet-Backbones und bilden damit einen Teil des Gesamtnetzes. Auch kommerzielle Internet-Provider wie Arcor, AOL, T-Online, 1&1 und Freenet sind an entsprechende Netze angeschlossen.
Neben der Zahl der angeschlossenen Computer und Länder wuchs auch die Zahl der angebotenen Dienste stetig mit. Heutzutage kann man im Internet:
- elektronische Post versenden und empfangen (electronic Mail, kurz E-Mail)
- auf weit entfernten Computern rechnen, diese administrieren und Anwendungen nutzen (Telnet, SSH)
- Daten zwischen Rechnern übertragen: File Transfer Protocol (kurz FTP)
- Dateisysteme zur Ablage von Dateien gemeinsam nutzen: Network File System (kurz NFS) oder WebDAV
- mit anderen Anwendern zeitsynchron oder zeitversetzt kommunizieren: Chat (auch IRC), Usenet (auch NetNews) und Mailing-Listen
- Textinformationen (mit Gopher) oder Multimedia-Informationen abrufen: World Wide Web (kurz WWW)
- mit anderen Leuten mit und ohne Bildübertragung telefonieren und über Gott und die Welt diskutieren: Internet-Telefonie (auch VoIP)
- nach Web-Informationen (mit Suchmaschinen), Dateien (Archie) oder E-Mail-Adressen (finger, whois, netfind, ...) suchen
- eigene Seiten mit Informationen, Grafiken, Sounds und Werbung über das Web publizieren und anderen zugänglich machen
- Produkte und Dienstleistungen in virtuellen Online-Shops kaufen, ersteigern, verkaufen oder versteigern
- in Dokumentdatenbanken recherchieren: Wide Area Information System (kurz WAIS)
Vor allem das World Wide Web hat das Internet in den letzten Jahren so richtig populär gemacht, weil es Informationen reich bebildert und mit Multimedia-Einbindungen ins Haus liefert und sich zudem leicht handhaben lässt. Das World Wide Web dürfte - neben E-Mail - der vermutlich gängigste der Allgemeinheit bekannte Dienst des Internets sein, sofern man nicht fälschlicherweise E-Mails dem World Wide Web unterordnet.
Auch wenn es im Internet keine zentrale Leitung gibt, kümmern sich internationale Organisationen und Firmen um den laufenden Betrieb, zukünftige Trends und allgemein verbindliche Richtlinien. Daneben gibt es die Netzadministratoren, die ihre Teilnetze pflegen und die allgemeinen technischen Richtlinien vor Ort umsetzen.
Das Kürzel am Ende jeder Internet-Adresse, korrekterweise als "Domain" bezeichnet, z.B. bei www.robert-scheck.de, bezieht sich dabei entweder auf die Nutzergruppe oder das jeweilige Land.
Übrigens, falls Sie weiterführende Informationen zur Geschichte des Internets suchen, kann ich Ihnen das Buch "ARPA Kadabra oder Die Geschichte des Internet" (erschienen im Dpunkt Verlag, ISBN: 978-3932588594) wirklich nur ans Herz legen.